Wassermelone statt Weizen

Der Klimawandel macht heimische Landwirte erfinderisch und lässt die Produktvielfalt gedeihen. Über Weinviertler Erdnüsse, steirische Oliven, Wiener Feigen, burgenländischen Wasabi und mehr.
Der Klimawandel macht heimische Landwirte erfinderisch und lässt die Produktvielfalt gedeihen. Über Weinviertler Erdnüsse, steirische Oliven, Wiener Feigen, burgenländischen Wasabi und mehr.

Weinviertler Erdnüsse

Das Weinviertel ist eine jener Regionen Österreichs, die am stärksten von Hitze und Trockenheit betroffen ist. Roman und Stefan Romstorfer aus Raggendorf waren sich dieser Problematik früh bewusst und überlegten sich für ihre biologische Landwirtschaft schon vor sieben Jahren Alternativen. Im klassischen Weinviertler Mischbetrieb mit Acker- und Weinbau sollte eine Frucht gefunden werden, die besser mit den immer heißeren und trockeneren Bedingungen zurechtkommt. Fündig wurden die Brüder bei einer Reise nach Griechenland, wo erfolgreich Erdnüsse angebaut werden. Die Nüsse, die biologisch gesehen in Wirklichkeit Hülsenfrüchte sind, kommen mit hohen Temperaturen und Trockenheit sehr gut zurecht und fühlen sich auf sandigen Böden ausgesprochen wohl. Erste Experimente verliefen höchst erfolgreich und mittlerweile werden auf zehn Hektar in Eigenproduktion und auf weiteren zehn Hektar von Partnern Erdnüsse angebaut. Stefan Romstorfer erzählt, dass es sich bei dem Anbau von Erdnüssen um ein langfristig gedachtes Projekt handelt, da die notwendigen Investitionen nicht unbeträchtlich waren. Ein Teil der Erdnüsse wird am eigenen Bio-Betrieb geröstet, daraus wird hauseigene Erdnussbutter hergestellt. Nach dem Motto „100 % bio, 100 % Erdnüsse und a bissl Salz, 0 % Klumpat“ wird auf jegliche Zusatzstoffe verzichtet.

Feigen aus Wien

Auf dem Bio-Feigenhof in Wien-Simmering werden schon seit dem Jahr 2005 verschiedenste Feigenbäume kultiviert. Mittlerweile hat Harald Thiesz mit seinem Team über 200 Sorten gesammelt. Die Sorge, dass die Pflanzen im Winter abfrieren, hat Thiesz nicht; man muss nur wissen, welche Sorten man im Freien auspflanzt – viele vertragen bis zu minus 18 Grad. Die bunte Feigenvielfalt wird nicht nur von Privatkonsumenten geschätzt, auch Haubenrestaurants wie das Steirereck oder Silvio Nickol im Palais Coburg gehören zu den Abnehmern. Eine wichtige Rolle spielen die bei Hobby- gärtnern beliebten Jungpflanzen, aber nicht nur Feigen, sondern auch exotische Nutzpflanzen, die selbst so manchen Bio- logen überraschen mögen: Schon einmal von Brahmi, Bobaum oder Wunderbeere gehört? Aber auch alte Bekannte kann man als Topfpflanze erstehen: Kaffee, Pfeffer, Mango, Maracuja und viele mehr. Spannend sind auch Indianer-Bananen, die in der Saison auch als Früchte verkauft werden. feigenhof.at

Heimische Oliven von den Agro Rebels

Der Klimawandel bringt Herausforderungen wie steigende Temperaturen und Wetterkapriolen mit sich. Während sich bei vielen Landwirten die Sorgenfalten immer tiefer furchen, gehen die „Agro Rebels“ in die Offensive und wollen den Klimawandel für sich nutzen: Vor zwei Jahren pflanzten die Rebellen 400 Olivenbäume selbst; im Vorjahr wurden zehn Partner-Landwirte gewonnen, mit denen die Anzahl der Bäume vom Vulkanland bis an den Neusiedler See auf 1.700 angewachsen ist. Schon heuer sollen die ersten Speiseoliven geerntet und im Jahr 2024 das erste Olivenöl gepresst werden. Im Team der Agro Rebels ist mit Daniel Rössler jemand, der bereits Agrarprojekte in Afrika und Asien umgesetzt hat und mit schwierigen klimatischen Bedingungen umzugehen weiß. An seiner Seite stehen Markus Fink, ein Weltraum-Physiker, und Max Simhirt, seines Zeichens Olivenbauer und Ölproduzent in Spanien. Mit diesen Erfahrungen ausgestattet, nehmen die Agro Rebels die Herausforderungen des Klimawandels selbstbewusst an. Die Rebellen werden es wohl nicht bei Oliven belassen, experimentiert wird aktuell mit zehn mediterranen Obst- und Gemüsesorten, darunter Granatäpfel, Kakis, Feigen etc. Ähnlich innovative Projekte gibt es in ganz Österreich, von Reis bis Wassermelonen. First Mover wie die Romstorfers können ein gewisses Alleinstellungsmerkmal für sich beanspruchen. Einer der Pioniere bei Reis war Gregor Neumeyer, der in Gerasdorf bei Wien mit Reisanbau begonnen hat. Mittlerweile gibt es großartige Reisprojekte vom burgenländischen Seewinkel bis in die südliche Steiermark.

agrorebels.at

Reis aus Österreich?

Das sorgt bei so manchem für einen Ah- &-Oh-Effekt. Doch Gregor Neumeyer macht’s möglich: 2016 übernahm er den Bauernhof seines Vaters in Gerasdorf vor den Toren Wiens, nachdem er ein Jahr zuvor die schräge Idee hatte, Reis in Österreich anzubauen. Zumindest der Name stand rasch fest: ÖsterReis. Ein wunderbar- knackiger und intensiv schmeckender Mittelkornreis, der im nachhaltigen Trockenreisverfahren entsteht und in Glasflaschen verkauft wird. Der Vorteil: ÖsterReis ist frei von Arsen. Mit Wasser bedeckte Wurzeln nehmen Schwermetalle auf, was beim Trockenreisanbau nicht der Fall ist. Seit Beginn des Jahres ist das Produkt offiziell als arsenfrei zertifiziert, was den Reis weltweit einzigartig macht. Gregor Neumayer ist hochzufrieden: „Es hat sich alles sehr gut entwickelt. Wir sehen nach wie vor eine enorm große Nachfrage bei den Konsumenten, die wir leider immer noch nicht zur Gänze bedienen können.“ Und das, obwohl der ÖsterReis-Erfinder auch auf der Produzentenseite expandiert hat: „Wir arbeiten mittlerweile mit 15 Landwirten zusammen, die für uns Reis machen“, erzählt er. Ein Wachstumsprojekt: „Ende April begannen wir mit dem Anbau auf einer Fläche von zirka 60 Hektar – vom nördlichsten Weinviertel bis in den Seewinkel, in der Hoffnung auf ein gutes, warmes Jahr.“ Zweifellos profitiert der Reisbauer vom Klimawandel. Um zu gedeihen, braucht die Reispflanze eine Mindesttemperatur von 15 Grad. Sie verhält sich wie eine Diva, Anfangs braucht sie viel Zuwendung, erst wenn sie „erwachsen“ wird, ist sie robust. ÖsterReis wird in der eigenen Reismühle entspelzt und zu Naturreis oder weißem Reis verarbeitet. Aus den „Abfällen“ entsteht süffig-leichtes Bier. Neuerdings werden klein-knusprige Reiswaffeln in der eigenen Waffelmaschine produziert. Zudem kreiert Neumayer eine Würzsauce, die durch Fermentieren aus der gesunden Kleie entsteht. Das größte Projekt, das ansteht, ist ein Reis-Erlebnishof. Dort soll künftig nicht nur die Verarbeitung stattfinden, sondern Reis gastronomisch erlebbar werden, Ab- Hof-Verkauf inklusive. „Unser Ziel ist es, ein kleiner, feiner Ausflugsbetrieb zu werden.“ oesterreis.at

Burgenländische Kichererbsen

Pannatura-Direktor Matthias Grün berichtet, dass man dem Klimawandel in der Bio-Landwirtschaft der Esterházy-Gruppe auf vielfältige Art begegnet. Den stärksten Hebel sieht er im Moment in der Standortoptimierung – im Weinbau sucht man höhere Lagen, im Ackerbau werden die Felder optimiert bepflanzt: Mittels GPS- Steuerung kann man die Pflanzdichte zentimetergenau bestimmen. So können bei jedem Feld die fruchtbareren Bereiche dichter bepflanzt werden als die weniger begünstigten Stellen. Nichtsdestotrotz wird bei mehreren Versuchsanlagen mit über 180 verschiedenen Kulturen experimentiert. Als sehr genügsam und hitzeresistent hat sich die Kichererbse erwiesen, die mittlerweile auf rund 100 Hektar an- gebaut wird. Pro futura gedacht werden bestehende und nachgefragte Feldfrüchte weiter optimiert, bevor man neue Sorten anbaut – dennoch könnten beispielsweise Linsen forciert werden, die in Experimenten gute Ergebnisse gebracht haben. pannatura.at

Wassermelonen aus Oberösterreich

Der Vielfalt sind in der Landwirtschaft ebenso wenig Grenzen gesetzt wie dem Einfallsreichtum der Produzenten. Trotz aller Freude über das neue Pflanzen- und Früchte-Potpourri darf man den ernsten Hintergrund des Klimawandels nicht außer Acht lassen. Landwirtschaftliche Experimente machen dann nachhaltigen Sinn, wenn der CO2-Abdruck zum Beispiel durch verkürzte Transportwege minimiert werden kann und der Anbau nach ökologischen Grundsätzen erfolgt. Extrem ressourcenschonend ist modernes Indoor-Farming, wie es PhytonIQ in Oberwart betreibt. Hier wird beispielsweise Wasabi angebaut, der in der freien Natur extrem langsam wächst und erst nach zwei Jahren geerntet werden kann. So erklärt sich auch der Kilopreis von etwa 650 Euro. Auch bei der Bio-Marke Ja! Natürlich hat man den Wert nachhaltiger Landwirtschaft früh erkannt und innovative Projekte heimischer Landwirte unterstützt. Darunter befinden sich auch Wassermelonen aus Oberösterreich, die man durchaus als regional bezeichnen kann, wenn man weiß, dass die Importware aus Italien, Spanien und sogar Brasilien kommt. Das Sortiment umfasst zudem Produkte wie Ingwer, Kurkuma, Reis, Kiwis, Kiwanos, Physalis und nicht zuletzt Erdnüsse aus dem Weinviertel. janatuerlich.at

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