Blaufränkisch versus Barolo

In dem freundschaftlichen Ländermatch gibt es ein geschmackliches Unentschieden. Beim Preisniveau feiert der Österreicher allerdings einen Kantersieg.

Wenn man Clemens Riedl fragt, welche heimische Rotweinsorte international das größte Potenzial hat, dann sieht er eine vor allen anderen: Blaufränkisch. Der Weinhändler hat sich mit seinem Unternehmen trinkreif auf gereifte Weine spezialisiert und macht damit bis zu 450.000 Euro Umsatz pro Monat. Da der vorhandene Bestand an gereiften Weinen allerdings enden wollend ist, wird in die Zukunft investiert und vielversprechende Weine werden in den Keller gesperrt. Bei österreichischen Rotweinen ist es vor allem die Aktie Blaufränkisch, von der Riedl überzeugt ist. Trotz internationaler Erfolge heimischer Blaufränkisch-Winzer ist die Wertschätzung im eigenen Land aber durchaus noch ausbaufähig. Um den wahren Stellenwert der autochthonen Rebsorte zu erforschen, suchten wir Rat bei anerkannten Experten und den Vergleich mit einer weltweit verehrten Rebsorte: dem Nebbiolo, international hauptsächlich als Barolo bekannt.

VERRÄTERISCHE FARBE
Bei der Blindverkostung im Wein & Co in der Jasomirgottstraße verlief nicht alles nach Drehbuch. Eigentlich wollten wir die Jury mit einigen Weinen auf die falsche Fährte führen, aber die Rebsorten wurden immer richtig erkannt. Die Unterschiede zwischen Nebbiolo und Blaufränkisch waren vor allem optisch wahrnehmbar. Während die Österreicher auch in der Reife noch purpur oder mit violetten Reflexen strahlten, zeigten die Italiener mit hellem Granatrot, das fast ins Orangefarbene ging, gedecktere Noten. Wenn man die Farbe aber beiseitelässt, dann sind sich Blaufränkisch und Nebbiolo in der Tanninstruktur und beim Säuregerüst sehr ähnlich. Dennoch reifen sie unterschiedlich: Blaufränkisch ist für heimische Gaumen in der Entwicklung sicher attraktiver, die Weine gewinnen an Tiefe und Vielschichtigkeit, bleiben aber kompakt und zeigen kaum oxidative Noten. Die piemontesischen Weine hingegen werden mit den Jahren deutlich offener und entwickeln balsamische Anklänge.

Eine falsche Fährte hat aber dennoch funktioniert. Bei den Jahrgangseinschätzungen lagen die Verkoster, besonders beim Blaufränkisch, mitunter deutlich daneben: Die Weine wurden oft um viele Jahre jünger vermutet, als sie tatsächlich waren.
Was die Stilistik des Blaufränkisch betrifft, so wünschten sich die versammelten Weinexperten, dass der Holzeinfluss gering gehalten werden sollte und dass große gebrauchte Fässer zum Einsatz kommen sollten. „Es ist wirklich traurig, was der Sorte schon angetan wurde”, stellte Willi Klinger fest und meinte damit Weine, die durch Mostkonzentration und Barrique-Einsatz kaum noch als Blaufränkisch zu erkennen waren. Wenn man sich die internationalen Bewertungen ansieht, dann kann man feststellen, dass eine burgundische Stilistik deutlich besser ankommt als eine Bordelaiser.

Elegant und feinfruchtig schlägt opulent und rustikal. Abgesehen von der Ausbauweise, spielt hier natürlich die Reife eine tragende Rolle. Der Moric Blaufränkisch Lutzmannsburg 2012 deutet dies bereits sehr vielversprechend an, Ernst Triebaumers Blaufränkisch Mariental 1999 demonstriert das mit Balance und Vielschichtigkeit in eindrucksvoller Exzellenz.

„Blaufränkisch wird oft so gemacht, wie es der österreichische Konsument mag”, bemerkte Mathieu Mermelstein, der Headsommelier des berühmten Münchener Restaurants Tantris. Für seine Gäste sucht er Vertreter mit feiner und eleganter Stilistik als bessere Speisebegleiter. Diese hat er bei der Verkostung wohl auch gefunden, denn er resümierte anerkennend: „Ich trinke offenbar viel zu wenig Blaufränkisch.”

GEDULD IST GEFRAGT
Bei den aktuellen Blaufränkisch-Jahrgängen darf man sich von 2017 und 2019 sehr viel erwarten. Willi Klinger erwähnte, dass er sich selbst einige Blaufränkisch aus diesen Jahren in den Keller gelegt hat. Und wer sollte es besser wissen als der Wein-&-Co-Chef?

Folgende Weine wurden verkostet:

  • Ernst Triebaumer Blaufränkisch Mariental 1999.
  • Dorli Muhr, Blaufränkisch Ried Spitzerberg- Obere Spitzer 1ÖTW Erste Lage 2019.
  • Prieler, Blaufränkisch Ried Goldberg 2018.
  • Moric Blaufränkisch Lutzmannsburg 2012.
  • Paolo Scavino Bric del Fiasc 2000.
  • Gaja Barolo Conteisa 2017.
  • E. Pira & Figli, Barolo Mosconi 2017.
  • Bruno Giacosa Barbaresco Santo Stefan Riserva 1998.

Die genauen Beschreibungen findet ihr in der zweiten Ausgabe von Martina – Mein Kochsalon, das ihr hier bestellen könnt.

 

von Bernhard Degen

 

Werde Premium Mitglied

Werde jetzt Premium-Mitglied in Martina's Kochsalon und genieße viele exklusive Vorteile, wie den uneingeschränkten Zugriff auf über 1.000 Rezepte.