Glücksrad

Karl Hohenlohe ist auf der Suche nach dem Glück. Bei dieser Suche trifft er weltweit auf interessante Personen und kommt dem Rezept nach dem Glück immer ein Stücken näher.

Der Unternehmer Hans Peter Haselsteiner verbindet Glück nicht mit beruflichem Erfolg. Glück, Zufriedenheit und Zweifel wechseln einander ständig ab. Das Bild im Hintergrund stammt übrigens von Künstler Anselm Glück.

Hans Peter Haselsteiner hat, wie alle Menschen, eine gütige und eine zornige Seite. Ich kenne zum Glück nur seine gütige Seite, womit wir schon beim Thema wären. Ich konnte den Bau-Tycoon Hans Peter Haselsteiner in Momenten wahrhaften Glücks erleben. Das war vor ein paar Jahren in Rumänien, wo sich Bedürftige, im Rahmen eines kleinen Festakts, für sein jahrelanges großzügiges, karitatives Wirken bedankten. Ich habe damals ein Foto von einem kleinen Kind gemacht, das sich plötzlich aus einer Gruppe von Jugendlichen löste und sich Herrn Haselsteiner ganz einfach auf den Schoß gesetzt hat. Das war eine ungemein stimmige Szene, die mir bis heute im Gedächtnis haften geblieben ist. Pures Glück, ein Bild sagt mehr als tausend Worte.

Nun sitze ich HPH in seinem kleinen Wiener Innenstadtbüro gegenüber und stelle jene Frage, die viele Menschen jedem milliardenschweren Unternehmer stellen wollen.

„Macht Geld eigentlich glücklich?“, frage ich und Hans Peter Haselsteiner schüttelt den Kopf.

„Nein, Glück ist in keinem Fall mit beruflichem Erfolg verbunden. Es ist natürlich schön, wenn Geld da ist, aber ich würde dies eher Stolz nennen auf das, was man erreicht hat. Die andauernde Zufriedenheit gibt es nicht. Das Glück ist eben ein Vogerl und manchmal ist es plötzlich da und schon wieder weg.“

Hans Peter Haselsteiner wirkt sehr entspannt. Ein erfülltes Leben, ein großes Lebenswerk. Gibt es eine Grundeinstellung, die ihm das Leben leichter gemacht hat? Ist er ein religiöser Mensch? „Jene Menschen, die ein gottgefälliges Leben führen, tun sich vielleicht ein bisschen leichter“, meint HPH, lässt aber offen, ob er sich in diese Gruppe eingereiht hat. Der Sinn des Lebens, der hat ihn zeitlebens beschäftigt. Immer wieder hat sich dieser Sinn des Lebens aber verändert und ich frage ihn, ob „das Geben, das Schenken, das Karitative“ nicht sinngebende Faktoren für ihn gewesen sind.

Hans Peter Haselsteiner: „Helfen hängt nicht vom Reichtum ab. Ich habe Glück und kann helfen, und ich denke, das war für mich etwas unglaublich Sinnstiftendes. Man darf nicht vergessen: Ich bin sehr reich dafür belohnt worden.“

Was macht Hans Peter Haselsteiner heute glücklich? „Manchmal schaue ich über das Meer und bin glücklich, manchmal, wenn ich mit meinen Kindern und Enkelkindern zusammen bin, in privater Atmosphäre, da blitzt plötzlich Glück auf oder nennen wir es Zufriedenheit.“

Und wer ist nun der glücklichste Mensch in seiner Umgebung? „Den gibt es nicht“, meint HPH und lacht. „Glück, Zufriedenheit, Zweifel, die wechseln einander ständig ab. Ich kenne keinen vollkommen glücklichen Menschen.“

 

Dann beginne ich meine Glücksreise eben von Neuem und klopfe bei dem berühmten „Zeit im Bild“-Anchor Tarek Leitner an.

Was bedeutet Glück für dich?

„Manchmal kommt es fast unbemerkt des Weges. Man tritt auf die Straße und es riecht nach geröstetem Kaffee vom Bobo-Barista in der Gasse, dann be-kommt man gleich einen Parkplatz beim ersten Termin mit einer interessanten Person. Und vielleicht schließt sich später eine unvorbereitete Sondersendung an, bei der alle Beiträge rechtzeitig eintreffen, die Interviews gelingen und ich die Tonalität genau treffe. Glück ist für mich vielfach, das harmonische Sich- Ineinanderfügen-der-Dinge, wenn alles passt.“

Kann man aktiv etwas dafür tun oder kommt und geht es?
„Das Glück als lustvolle Erfahrung der Glückseligkeit geht sehr schnell wieder weg. Muss es auch. Denn wäre die Glückseligkeit nicht der Ausnahmezustand in unserem Leben, sondern aktiv zu gestaltende Alltäglichkeit, hätten wir ja gar keine Lust mehr darauf. Aber wie dichtete schon Nietzsche: Alle Lust will Ewigkeit. Schade natürlich, dass das nicht funktioniert.“

Kann man Glücklichsein lernen?

„Gewiss nicht in einem Seminar. Vielleicht durch die Betrachtung der Welt – und durch ein gewisses Interesse an sich selbst. Das lassen sich viele Menschen nicht durchgehen, weil sie Scheu vor ihrer eigenen Eitelkeit haben. Das spricht natürlich für sie, ist aber auch hinderlich.“

Wurdest du diesbezüglich von deinem Elternhaus geprägt?
„Und wie! Mein Vater erzählte bei vielen Gelegenheiten, er habe sein ganzes Lebensglück im Krieg verbraucht. Ich musste ein ganzes Buch schreiben, um das aufzuarbeiten. Das hat mir aber natürlich viele therapeutische Sitzungen erspart und war daher durchaus kostengünstiger. Hab ich eigentlich schon einen Buchtipp zum Thema Glück gegeben? Lass mich allen gratulieren, die „Berlin–Linz – Wie mein Vater sein Glück verbrauchte“ noch nicht gelesen haben. Ich denke, sie alle haben sehr glückliche Lesestunden vor sich.“

Warum hast du deinen Kandidaten nominiert?
„Mein Kandidat ist übrigens Buchhändler. Ich nenne ihn meinen Lebensmittelhändler. Ich glaube, die Betrachtung der Welt durch die gelesenen Geschichten machen ihn glücklich. Ich suche ihn oft mehrmals die Woche auf. Wenn wir mit- einander reden, hat er noch nie geklagt oder gar geraunzt. Er hat die Gelassenheit und Weisheit – und für mich auch ein wenig die Funktion – eines alten Rabbi.“

 

Reinhold Posch ist 81 Jahre alt und führt, gemeinsam mit Theresa Sebung, eine kleine Buchhandlung im siebten Bezirk. Der studierte Botaniker schätzt sein Grätzl, noch gibt es kleine Geschäfte und mit vielen seiner Kunden ist er befreundet. Sein Dasein als Buchhändler mit Schwerpunkt Philosophie und zeitgenössische Literatur sieht er als Privileg: „Für jemanden, der gerne mitliest, ist das der beste Job, den man haben kann.“ Herr Posch hat sich schon berufsbedingt viel mit der Thematik Glück auseinander- gesetzt, eine Materie, die er unter dem Begriff „Kairos“ zusammenfasst.

Was das bedeutet? „Ich versuche, mir den günstigsten Augenblick am günstigsten Ort für eine Entscheidung vorzustellen. In meinem Fall ist Kairos also das güns- tigste Zusammentreffen mit den vielen Büchern im Geschäft, die entscheidende Begegnung mit Personen und die Erwar- tung und Begleitung von unserem Sohn Lucian. Glück bedeutet auch, unnützen Ballast abzuwerfen und das Geschenk des richtigen Augenblicks am günstigen Ort zu entwickeln.“

 

Ja, das Glück kommt nicht von alleine, man muss sich also zeitlebens auch ein wenig um sein Glück kümmern und aufmerksam sein, wenn es endlich einmal kurz vorbeischaut. Herr Reinhold Posch hat sich als zufriedensten Menschen, den er kennt, den umtriebigen Musiker, Schauspieler und Regisseur

Florian Drexler ausgesucht. Der 38-jährige Künstler hat sich intensiv mit dem Thema Glück beschäftigt: „Mein Eltern- haus hat von väterlicher wie auch mütterlicher Seite eine bäuerliche Tradition. Mir wurde von jeher vermittelt, das Glück auch in den kleinen Dingen zu suchen, wofür ich meinen Eltern sehr dankbar bin. Ich stehe dem Trend der heutigen Wohlfühlgesellschaft, in der ein nahezu bergmännischer Antriebsgedanke nach ständiger Generierung von Glücksgefühlen herrscht, sehr skeptisch gegenüber. Für mich persönlich hat Glück unzählige Gesichter, die jedoch allesamt eine sinnliche Stimulation hervorrufen, begleitet vom Gefühl eines unbewusst verankerten ,Wissens‘ um die Einzigartigkeit, Schönheit oder Authentizität des erlebten Moments. Ein Gefühl tiefgreifender Sinnerfüllung.“

Florian Drexler hat mit seinen 38 Lebensjahren schon viel Lebenserfahrung gesammelt. Er hat mit und für Kinder gearbeitet, sich bei verschiedensten sozialen Projekten engagiert, ist Pädagoge, Musiker, Schauspieler, rundum also eine sehr selbstreflektierte Persönlichkeit, die mir zum Finale dieser Glücksrad-Ausgabe eine Fabel erzählt, die eigentlich fast alles, was mit Glück oder Zufriedenheit zusammenhängt, auf den Punkt bringt:

„Mir fällt zum Wort ,Glück‘ immer die Geschichte von den zwei Katzen ein: Eine weiße Katze beobachtet eine braune Katze, wie sie ihrem Schwanz hinterher- jagt. Auf die Frage, warum sie dies denn mache, entgegnet die braune Katze, dass sie gelernt habe, dass sich ihr Glück in ihrem Schwanz befände, weshalb sie ver- suche, es zu schnappen. Die weiße Katze entgegnet, dass sie auch gelernt habe, dass sich ihr Glück in ihrem Schwanz befände. Deshalb ließe sie es in Ruhe, und so folge es ihr überall hin auf Schritt und Tritt.“

 

von Karl Hohenlohe

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