In New York City leben zurzeit 8,6 Millionen Menschen, das sind also ungefähr so viele, wie aktuell in die Schweiz passen. Sie stammen aus mehr als 150 verschiedenen Ländern und sie alle würzen die Küche der Stadt mit einer Prise ihrer Heimat. Von Klassikern wie Pizza, Hot dog und Cheesecake einmal abgesehen, fanden wir in New York eine scheinbar nicht enden wollende Auswahl an Küchen aus der ganzen Welt. Eigentlich kein Wunder, wenn man bedenkt, dass es in New York City an die 20.000 Restaurants gibt. Und das auf jedem Niveau – mein Sohn Louis und ich hatten also viel zu tun auf unserer Suche nach dem Besten.
In New York gut zu essen ist eigentlich ganz einfach. Fangen wir einmal ganz unten auf der Nahrungskette an: die Pizzaschnitte ist den New Yorkern heilig. Womit wir bei Joe’s Pizza wären. Pino Pozzuoli stammt ursprünglich aus Neapel und ist mittlerweile ein hochdotierter Gastromulti, der die legendärste ihrer Art liefert – die Beliebtheit der Pizza rührt nicht nur von der Qualität, Joe’s Pizza trat auch in so manchem Blockbuster (Spider Man 2, Dr. Strange) auf. Hier werden echte Massen an Schnitten produziert, trotzdem ist die Qualität erstaunlich – der Teig dünn und knusprig, der Belag simpel, aber das soll bei richtig guter Pizza auch so sein.
Wir wandern weiter in das Tennement-Museum, das sich als echtes Highlight herausstellt. Der Besitzer eines 1863 erbauten Mietshauses in der Lower East Side scheute vor Renovierungsarbeiten zurück und versiegelte die Wohnungen 1935. Bis in die 1980er-Jahre, als das Museum eröffnete, wurden keine Veränderungen vorgenommen – man fand zeitgeschichtliche Relikte von unschätzbarem Wert, von Liebesbriefen über Stöckelschuhe bis zur Buchhaltung. Eine historische Zeitkapsel, die die Schicksale einzelner Familien beschreibt. Die Pizza war schon wieder verdaut, erstaunlich, was in so einen 15-jährigen Menschen hineinpasst und wir gehen nur wenige Minuten zu Katz’s – so etwas haben wir noch nie erlebt. Eine lange Schlange vor der Tür, ist man endlich im Inneren des ältesten Deli’s der Stadt (1888 von jüdischen Einwanderern gegründet) gelandet, steht man noch einmal eine gute halbe Stunde mit knurrendem Magen. Das Pastrami-Sandwich, das man hier bekommt, ist es aber wert. Übrigens um beeindruckende € 26. Pastrami, wie wir sie heute kennen, hat ihren Ursprung in Rumänien. „Pastramă“ bedeutet so viel wie geräuchertes Rindfleisch – das Räuchern und Pökeln war dort wie überall auf der Welt eine Methode, um frisch geschlachtetes Fleisch haltbar zu machen. Im Katz erhält man wunderbar gewürzte, leicht geräucherte und extrem saftige, warme Pastrami zwischen zwei Mischbrot-Scheiben, dazu eingelegte Gurken, einen cremigen Cole Slaw und Dr. Brown’s Cream Soda. Die beschriebene Portion kann man sich getrost zu Dritt teilen, die Dimension ist eine andere Liga. Und somit das Sandwich fast schon wieder günstig.
Das Pastrami-Sandwich arbeitet sich noch durch unser System, als wir bereits um 18 Uhr unser Abendessen antraten. Für Mutter ein wahrer und vor Monaten bereits geplanter Höhepunkt: Chef‘s Table at Brooklyn Fare. „20 Gänge??“, fragte mein Sohn mit schreckgeweiteten Augen. „Jawohl, Louis, weil wir es uns wert sind,“ folgte mein Schlachtruf ins Ungewisse. Ganz ungewiss war es nicht, denn den Mann am Herd verfolgen wir schon länger: Max Natmessnig (Gault&Millau Koch des Jahres 2022), dessen Laufbahn ihn ohne formelle Kochlehre von der »Auberge de l’Ill« ins »Steirereck« und ins »Oud Sluis« führte. Im Chef’s Table at Brooklyn Fare stieg er zur rechten Hand von César Ramirez auf, da war er Mitte zwanzig. Danach zog er von der Roten Wand in Lech nach München zu Dallmayr und schon nach einem Jahr zurück nach New York. Im Chef’s Table, charmant im hinteren Teil eines Supermarkts versteckt, beschaffen Natmessnig und sein kongenialer Partner Marco Prins Zutaten, auf die die meisten Köche der Welt keinen Zugriff haben, weil sie zu teuer und/oder zu rar sind und auch, weil sie nicht auf die Idee kommen würden, etwas noch Besseres zu verlangen als das bereits Beste. So lassen sie japanischen Meisterköchen die Felsenbrasse unter der Nase wegkaufen, Seeigel kommt aus Japan und San Francisco und die Waffeln aus Belgien. Sie vereinen diese Produkte mit seiner Leidenschaft für die besten Küchen zu den außergewöhnlichsten, vielschichtigsten und feinfühligsten Speisen, die man überhaupt irgendwo genießen kann. Die alle Sinne tanzen lassen. Man findet nicht oft eine dermaßen qualitätsfanatische, präzise und superlative Küche, die so eine unbekümmerte Lässigkeit ausstrahlt.
Gut, das Frühstück am nächsten Tag fiel sogar für Louis aus, und wir stellten uns vor dem Mercer Lab an, dem neuen Art & Technologie-Museum im Financial District. Um 11 Uhr beginnt der erste Slot durch diese Wunderwelt aus Musik, Gerüchen und LED’s, die vergessen lässt, dass man sich in unmittelbarer Nähe der engen Hochhausschluchten der Wall Street befindet. Dahinter steckt die Vision des Digitalkünstlers Roy Nachum, der auf 3.000 Quadratmetern und in 15 Räumen Traumwelten mit 4D-Soundsystemen schafft. So viel Sinnesstiumlation regt den Appetit wieder an und wir fahren zum Chelsea Market. Abgesehen von vereinzelten Kleider- und Korbgeschäften besteht der Markt aus Essen, bemerkenswert ist Pizza Filaga – sizilianische Einwanderer pflegen hier eindrucksvoll ihr kostbares Erbe – und Los Mariscos mit seinem mexikanischen Streetfood-Flair und den knusprigsten Fisch- und besten, scharfen Garnelentacos, die wir bisher finden konnten. Wieder zurück Downtown besuchen wir das 9/11-Museum, jenes beeindruckende Mahnmal des entsetzlichen Terroranschlags auf das World Trade Center im Jahr 2001. Wir sind erneut fassungslos über die Ereignisse, über die zur Schau gestellten Dokumente, Aufnahmen und Exponate und wundern uns, dass seither 23 Jahre vergangen sind. Nachdenklich verlassen wir das Museum nach drei Stunden dramatischem Countdowns.
Eine Pause verschafft uns ein Spaziergang auf der Highline – eine ehemalige Gütertrasse wurde zu einer knapp drei Kilometer langen Flaniermeile gestaltet, etwas erhoben über der Straße und begrünt. Der frische Wind, der vom Hudson hereinweht, macht den Kopf wieder frei und wir freuen uns auf das Abendessen. Heute gibt es Ramen. Ich wurde durch die kulinarische Superlativ-Serie „Chef’s Table“ auf Netflix auf dieses Lokal aufmerksam. Rückblickend ein wahrer Glücksfall, weil auf das unscheinbare Ramen-Restaurant in der Lower East Side wäre ich sonst niemals gestoßen. Was ich versäumt hätte: Die wahrscheinlich besten Ramen meines Lebens, bissfeste Nudeln in dichter, intensiver, gehaltvoller Suppe. Verantwortlich dafür ist Ivan Orkin, der in Japan studierte und arbeitete, danach das Culinariy Institut besuchte und in namhaften Spitzenrestaurants Erfahrungen sammelte, bis er Ramen auf höchstem Niveau in seinem eigenen Lokal produzierte. „Ramen sind nichts Elegantes. Sie sind salzig und fettig und haben zu viele Kalorien – aber sie sind verdammt gut!“, sagt Ivan Orkin über sein Signature Dish in „Chef´s Table“. Jede Kalorie wert.
Zum Abschluss unserer Reise gönnen wir uns etwas Besonderes: Erst Anfang 2023 wagte das legendäre Pariser Restaurant Caviar Kaspia den Sprung über den großen Teich und eröffnete eine Dependence im legendären „The Mark“-Hotel. Das Interieur stammt vom berühmten Designer Jayques Grange, der die DNA des Pariser Originals gekonnt auf die Upper East Side übersetzte – ikonische blaue Tischdecken, smaragdgrünen Samtbänke, holzgetäfelte Wände, eine skulpturale Bar aus schwarzem Marmor und einer warmen Beleuchtung. Der kulinarische Protagonist ist der Kaviar, eh klar, und kommt auf Ofenkartoffel, Blinis mit geräuchertem Lachs und Bottarga, in vegetarischer Form aus verflüssigtem und zerstoßenem Trüffel, auf allerei vom Ei und auf knusprigem Erdäpfelrösti mit Creme fraiche und Schnittlauch (unser Favorit).
Nun ist das The Mark Hotel selbst ja keine unbekannte Institution. Im Gegenteil, das Hotel kann sehr viel auf mehreren Ebenen. So ist seine Lage am Central Park nicht nur ein Einser-Argument, es bietet unter anderem auch die größte Suite der Stadt – mit sagenhaften 1.100 Quadratmetern. Das beeindruckt auch Gäste, die nur das Beste gewohnt sind, so mietet sich immer wieder Rap-Star Drake in die $ 75.000,- pro Nacht teure Suite ein.
Es war die Woche der vollen Bäuche. Zwei Food-Freaks auf Abwegen in die jeweils andere Welt – es soll uns nichts Schlimmeres passieren. Solange ich bei meinem Sohn Kunstmuseen und alte Kirchen im Programm auslasse, ist Harmonie Programm. „I want to be part of it, New York, New York…” – wir waren es. NYC hat uns verschluckt und nach einem Wirbelsturm durch die verschiedensten Ecken und Enden der sagenhaften Insel wieder ausgespuckt. Und das ist gut so.
Restaurants
Joe’s Pizza
Legendäre Pizzaschnitten, die seit 49 Jahren von Pino „Joe“ Pozzuoli echte New Yorker genauso wie Touristen begeistern. Wenn Fast Food, dann so. Wartezeit miteinberechnen, man stellt sich mindestens 20 Minuten an.
1435 Broadway, www.joespizzanyc.com
Filaga Pizza
Das von sizilianischen Einwanderern gegründete Unternehmen Filaga im Chelsea Market bietet „Pizza al Taglio“ (quadratische und runde Scheiben) an. Eine der wichtigsten Zutaten für ihren Teig ist Zeit – er geht 24 Stunden lang, bevor er perfekt gebacken wird. Joe’s Pizzateig ist zwar noch etwas knuspriger, aber hier ist der Käse besser. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
75 9th Avenue, www.filaga.com
Katz’s
Im Katz erhält man wunderbar gewürztes, leicht geräucherte und extrem saftige, warme Pastrami zwischen zwei Mischbrot-Scheiben, dazu eingelegte Gurken, einen cremigen Cole Slaw und Dr. Brown’s Cream Soda. Die Portion ist alleine nicht zu bewältigen, unbedingt teilen.
205 East Houston Street, katzsdelicatessen.com
Los Mariscos
Tacos Nr. 1 im Chelsea Market sind ein Megahype, unserer Meinung nach viel besser sind die Tacos im versteckten Los Meriscos – genau drei Sorten werden angeboten, allesamt auf Fischbasis: mit knusprig frittiertem Fischfilet, mit Garnelen und mit scharfen Garnelen. Am besten alle drei probieren, preislich absolut vertretbar (von € 4,40 bis € € 5,50 pro Stück).
409 West 15th Street, losmariscos1.com
Ivan Ramen
Unscheinbares Ramen-Restaurant in der Lower East Side mit den wahrscheinlich besten Ramen, die wir je probiert haben. Preislich für New Yorker Verhältnisse wirklich erfrischend – die Ramen Bowls beginnen bei € 16. Es gibt übrigens einen Netflix Chefs Table über das Lokal, unbedingt vor einem Besuch anschauen.
25 Clinton Street, www.ivanramen.com
Buddakan
Das Buddakan in wenigen Worten erklärt? Panasiatische Küche in dramatischem Ambiente. Ein immens hoher Raum mit einer langen Tafel, gewaltigen Lustern, cooler Musik und diffusem Licht. Man würde sich nicht wundern, wenn Carry Bradshaw Mr. Big in einer der Nischen gerade betört. In NY nennt man diese Art Lokal Clubstaurant, das trifft es gut, nur, dass das Essen viel besser ist, als man es ich einem Restaurant dieser Art erwarten würden – zartwandige und würzig gefüllte Gyoza, Edamame-Dumplings in Schalotten-Weißwein-Fond, scharfe Erdnuss-Nudeln mit Szechuan-Dressing waren nur einige unserer Favoriten.
75 9th Avenue, buddakannyc.com
Caviar Kaspia
Neues Restaurant im legendären Luxushotel auf der Upper East Side, dem „The Mark“. Die Lage ist fantastisch, an der Madison Avenue auf der einen Seite, am Central Park auf der anderen, die Met und das Guggenheim sind in Gehweite, die nächste U-Bahn und der Bus fast vor der Tür. Das Interieur vereint französischen Jugendstil mit New Yorker Avantgarde und setzt damit Maßstäbe. Der Name des Restaurants ist Programm, Kaviar, wo es nur möglich ist, ein Schlaraffenland. Unser Favorit: knusprige Erdäpfelrösti mit Creme fraiche und Schnittlauch. So einfach, so gut.
992 Madison Ave, www.themarkhotel.com/caviar-kaspia-at-the-mark/
Chef’s Table at Brooklyn Fare
Berühmtes Fine-dining-Restaurant mit einem österreichischen und niederländischen Koch – Max Natmessnig (zuvor Rote Wand, Lech) und Marco Prins kennen einander schon von prominenten Stationen wie dem Oud Sluis, Sergio Hermanns legendärem Gourmet Tempel in Holland. Hier arbeiten sie nun im Einklang und komponieren die wahre Meisterwerke aus allem, was Rang und Namen hat – von Kaviar über Seeigel und Languste bis zu Wagyu Beef. 20 Gänge, $ 430,- plus Steuer. Aber ganz ehrlich, dieses einmalige Erlebnis war es wert.
431 West 37th Street, www.brooklynfare.com/chefs-table/
Tipps
1. Reservierungen: Wenn möglich, jedes Restaurant vorab reservieren. Es ist erstaunlich, wie lebhaft die Restaurantszene ist – es gibt nicht nur viele Lokale, sondern auch sehr viele Gäste.
2. Wait to be seated: Außer in Fast-Food-Ketten bekommt man so gut wie überall einen zugewiesenen Tisch.
3. Trinkgeld: Ist in der Rechnung nicht enthalten, wird aber vom Personal erwartet (ist Teil des Gehalts). Bei Kreditkartenzahlung werden dem Gast Optionen zur Addition geboten – 18, 20 oder 25% Trinkgeld. Meistens gibt es aber auch die Möglichkeit, das Trinkgeld selbst zu definieren.
4. Smartphone: Man sollte eine Powerbank dabei haben – abgesehen von den unzähligen Fotos, die gemacht werden, braucht man das Telefon laufend für die Navigation sowie für Eintritte aller Art. Außerdem kann man U-Bahn- und Bustickets einfach und schnell mit dem Telefon bezahlen. Vorab entweder eine eSim online kaufen oder sich bei seinem Telefonanbieter bezüglich der Roaming-Tarife erkundigen. Man braucht aber kein großes Paket, in NYC findet man so gut wie überall freies WLAN.
5. Trinkwasser: Man glaubt es kaum, aber New York City hat eine der besten Wasserqualitäten in ganz Amerika. Die Wassereinzugsgebiete Catskill und Delaware liefern mehr als 90 % der Wasserversorgung der Stadt. Es ist so sauber, dass NYC eine der wenigen Gemeinden ist, die nicht gesetzlich dazu verpflichtet sind, ihr Wasser zu filtern. Das spart auch im Restaurant, einfach Tappwater bestellen.
To do
Abseits von Lokalempfehlungen hier die Highlights unseres Aufenthalts:
1. Mercer Labs: Neues Art & Technology Museum downtown. Sehr unterhaltsam und beeindruckende Licht-Musik-Geruch-Performance (Dauer: ca. 1 Std.).
2. Empire State Building: Ein Must für jeden NY-Erstling. Unbedingt Tickets vorab buchen inkl. Fast Lane, es kann lange Schlangen geben. Darauf achten, dass man das Ticket bis zum 102. Stock kauft.
3. Madison Square Garden: Wenn es das Budget erlaubt, sollte man sich unbedingt einen Besuch bei einem Basketball-Spiel gönnen. Selten so etwas unterhaltsames erlebt. Die Regeln sind einfach, die Stimmung ausgelassen und es lassen sich auch immer ein paar Prominente orten (während unseres Spiels saßen Chris Rock und John MacEnroe ein paar Reihen vor uns).
4. Highline: Die ehemalige Güterzug-Trasse wurde zu einem begrünten, 2,6 km langen Spazierweg zwischen Chelsea und Meatpacking District.
5. Bootsfahrt: Am Beginn unserer NY-Woche haben wir eine 2,5 Stunden lange Tour rund um die Insel von Manhattan gemacht. Das schafft nicht nur einen guten Überblick, sondern man erfährt auch viel über die Geschichte der Stadt.
5. Guggenheim Museum: Zurecht ein Klassiker, grandiose Dauerausstellung sowie gesonderte Shows. Unbedingt Kopfhörer einpacken und vorab die App „Bloomberg Philantropies“ herunterladen – dort findet man gratis Audio-Guides durch alle namhaften Museen.
6. 9/11 Museum: Bedrückend wie beeindruckend – genug Zeit einplanen, man kann sich zwischen Kunst und realen Exponaten zum Terroranschlag am 11. September 2001 verlieren.
7. Tennement Museum: Ein absolutes Must für NY-Besucher – ein historisches Museum, das die Lebensumstände in NY im 19. Jahrhundert beschreibt.