Hüttenzauber

Drei Pisten im Westen: Genuss-Skifahren in Ischgl, am Pillberg und am Kitzbüheler Horn.
Die Silvretta Arena in Ischgl, das Kellerjoch am Pillberg und das Kitzbüheler Horn: drei Skigebiete, die unterschiedlicher nicht sein können. Wir haben unseren Autor Jürgen Schmücking auf die Piste geschickt. Und in die Skihütten. Ein Schneebericht zwischen Kaiserschmarren, Germknödel und Jagatee.

Silvretta Arena, Ischgl

Relax. If you can

Das Ischgler Motto hat kaum an Kraft verloren. Vielleicht hat sich sei- ne Bedeutung etwas geändert. Die Partys sind nicht mehr ganz so wild und ausgelassen, gefeiert und gewedelt wird aber trotzdem noch. Ischgl ist und bleibt der Inbegriff für Lust und Lebensfreude. Mit knapp 240 Pistenkilometern ist Ischgl eines der größten zusammen- hängenden Skigebiete des Landes. Es verbindet das Paznauntal auf österreichischer Seite mit dem schweizerischen Samnaun im Engadin. Das führt dazu, dass man in Samnaun zollfrei einkaufen kann – als einzigem Ort in der Schweiz. Aber darum geht es hier nicht. Hier wol- len wir aufzeigen, in welche Hütten der Einkehrschwung besonders lohnend ist. Und wo man abends am besten hingeht, wenn man solide Kulinarik dem Après- Ski-Remmidemmi vorzieht.
Davor noch ein paar Worte zum Ski- gebiet selbst. Es heißt Silvretta Arena Ischgl-Samnaun und punktet vor allem bei sportlich-ambitionierten Skifahrern und Snowboardern. Die Pisten sind anspruchsvoll, die Anlagen modern und alles ist ausgesprochen schneesicher. Im Zweifel donnern die Kanonen.
Die Einkehrmöglichkeiten sind umfassend und in der Regel „Ischgl-like“: also Highlife und gute Stimmung. Oben am Berg hätten wir da zum Beispiel das Restaurant Alpenhaus auf der Idalpe: Es ist für Skifahrer, Boarder und andere Bergsportler so etwas wie eine Genuss- schutzhütte am Berg. Quasi ein „Safe House“ für genussaffine Bergfexe. Die Gerichte gehören zwar zur Klassik der alpinen Bergkost, werden aber auf der- art feine und elegante Art zubereitet wie auch präsentiert, dass es eine Freude ist. Die Salzburger Nockerl sind einerseits sehr nah am Original, andererseits mit Moos- und Grantenobers frech tirolerisch interpretiert. Der Zwetschkenröster ist eine Zierde seiner Art und auch die pikanten Gerichte können sich sehen lassen. Großartig ist auch das Restaurant Idalp-Panorama. Das Selbstbedienungsrestaurant verfügt über eine herrliche Sonnenterrasse samt Eisbar, im rustikalen Gourmetstüberl des Bedienungsrestaurants werden österreichische Küche und kreative Craftbiere serviert. Und nachdem aller guten Tipps drei sind, sei noch Fritziʼs Vider Alp erwähnt. Ein uriges und herzliches Restaurant, in dem es das beste Fondue der Gegend gibt. Und das sich somit als ideales Rodelabendbasislager empfiehlt. Später, wenn sich der Skitag dem Ende neigt, stehen im Dorf alle Möglichkeiten offen. Martin Sieberers Heimatbühne oder die Paznaunerstube. Je nach Budget und Belieben, Benny Parth und sein Stüva – seit heuer übrigens Österreichs einziges Fünf-Hauben-Lokal westlich von Salzburg. Oder die alpin-elegante Küche von Gunther Döberl im Stiar. Oder Andreas Spitzer im fliana. Über mangelnde Auswahl an Topadressen kann man sich in Ischgl gewiss nicht beklagen.

Kellerjoch am Pillberg

Still in Pill

Wie anders ist da das Skigebiet am Kellerjoch am Pillberg. Ein paar solide Pisten, ein paar Lifte. Winterliches Familienglück. Ja, es gibt auch die legendär-berüchtigte „Weizer“, die einzige schwarze Piste am Berg. Aber der Rest ist Wohlfühlskifahren. Mit sensationellem Panorama übers Inntal und die Nordkette. Was am Kellerjoch ebenfalls stärker als an anderen Tiroler Wintersportorten ist: die Zahl der Tourengeher und Schneeschuhwanderer. Einkehrmöglichkeiten? Wieder drei. Zwei davon haben wir für den Gault&Millau-Hüttenguide besucht, die dritte hat heuer im Hotelguide den Preis für das beste Ambiente abgeräumt. Das Hecherhaus, oben am Berg, der Rodeltoni bei der Mittelstation und das Hotel Grafenast mit seiner atemberau- benden Aussichtsterrasse. Einfach nur „der Hecher“: So nennen die Einheimischen das Hecherhaus. Es hat seinen Namen jedenfalls von einer Schwazer Skirennläuferin, Traudl He- cher. Naheliegend also, dass ihr Porträt im Logo vom Hecherhaus, ebenso wie der Schriftzug „Alpine Lodge“, vor- kommt. Der „Hecher“, eine Verbindung von Tradition und Moderne auch auf anderen Ebenen, eröffnet bei Schönwetter ein gewaltiges Panorama: Inntal, Karwendel, Alpenhauptkamm. Weiter unten, am Ende der Abfahrt und kurz vor der Mittelstation, steht ein Gebäude, in dessen oberstem Geschoss der Rodeltoni ist. Die Idee stammt von Peter Unterlechner, dem Hotelier des Hotels Grafenast, das gleich nebenan liegt. Als die Frage aufkam, wer das Lokal bei der Mittelstation der Kellerjoch- bahn bespielen sollte, war es jedenfalls klar für ihn. Heute ist der Rodeltoni ein trendiges Panoramacafé, das sich, nur rund 15 Minuten vom Ortskern entfernt, in Schwaz befindet und etwa mit dem Bus gut zu erreichen ist. Vor Ort geht es kreativ zu: Es gibt eine Fleischkas-Bar, einen Speckbrot-Toast oder den warmen Honig-Thymian-Schinken. Für die Kulinarik zeichnet das Grafenast-Te- am verantwortlich. Kein Wunder also, dass dabei nichts schiefgeht.
Und weil wir gerade bei Peter Unterlechner und seinem Grafenast sind. Obwohl der historische Kern des Hotels die alte Rodelhütte ist, die Peters Ururgroßvater erbaut hat, ist Grafenast heute nicht ein- fach nur eine Hütte für einen schnellen Einkehrschwung. Die Themen Kunst, Entspannung und Wohlbefinden ziehen sich wie ein roter Faden durch das An- gebot des Hauses. Ein Hotel mit einer Geschichte, die vor vier Generationen begonnen hat. Auch wenn sich in dieser langen Zeit natürlich manches ändert, an den Grundfesten der Grafenaster Philosophie wird freilich nicht gerüttelt. Grafenast steht für Bio-Kulinarik auf höchstem Niveau sowie für eine an- regende Mischung aus Naturerlebnis und Kunstgenuss. Es ist ein Ort des zwanglosen Seins und guter Gespräche. Möglichkeiten für beides bieten die Teestube, der Platz am Kaminfeuer, der Skulpturengarten und viele andere Orte mit ganz eigenem Flair.
Fast ein Muss für einkehrende Skifahrer: In den oberen Stockwerken ist ein Skimuseum untergebracht. Neben alten Fotografien wird auch historische Ausrüstung gezeigt. Ein Ausflug in die vergessene Welt von Fassdauben, Skischuhen aus Leder und Fangriemen. Be- vor man wieder in die Carver steigt und weiterfährt.

Kitzbüheler Horn

Last, not Least

Wenn man in Tirol vom Horn spricht, ist in der Regel das Kitzbüheler Horn gemeint. Schräg gegenüber von Streif und Hahnenkamm liegen die Hornbahnlifte. Dort ist es eine Spur ruhiger als auf der anderen Seite. Vermutlich liegt es, was Größe, Frequenz und Einkehrmöglichkeiten angeht, irgendwo zwischen Ischgl und dem Kellerjoch. Kulinarisch ist das Kitzbüheler Horn untrennbar mit der Angerer Alm verbunden. Eigentlich ist die Alm nur über die Harschbichl-Seilbahn von St. Johann aus zu erreichen. Hausgäste können im Sommer auch eine Straße nutzen. Ein paar Kilometer vor Ankunft befindet sich ein Schranken, der – nach kurzem Anruf – per Funk ge- öffnet wird. Für die weitere Fahrt empfiehlt sich jedenfalls ein gewisses Maß an Bodenfreiheit. Mit ihrer weit zurückreichenden Geschichte ist die Angerer Alm eine Institution am Kitzbüheler Horn. Damals, vor über 200 Jahren, war sie der höchstgelegene Bauernhof in St. Johann. Mittlerweile hat sich die Alm natürlich weiterentwickelt: in einen Berggasthof ganz besonderer Art. Das Wirtshaus liegt auf 1.300 Meter, das Panorama ist ein wahrer Augenöffner, in dessen Zentrum das stattliche Massiv des Wilden Kaisers steht. Die Wirtin dieser Perle ist Annemarie Foidl, eine umtriebige Gastronomin, die „neben“ der Angerer Alm auch noch die Geschicke der Österreichischen Sommelierunion als deren Präsidentin führt. Das macht sich klarerweise auch auf der Weinkarte bemerkbar oder – noch besser – im Felsenkeller erlebbar. Allein dieses Kellers wegen lohnt sich der Weg dorthin. Ein kleiner, prall gefüllter und verwinkelter Weinkeller, voll be- stückt mit den besten Weinen aus Österreich, Italien, Deutschland und anderen Weinländern. Ein Raum im Kellergewöl- be lädt zu anregenden Gesprächen bei interessanten Weinen ein. Wer sich hier ein wenig umsieht, entdeckt mit Sicherheit auch die eine oder andere Rarität. Tagsüber werden Skifahrer mit traditioneller bodenständiger Küche auf hohem
Niveau bedient. Die Kasspatzln kommen fast leicht, aber unglaublich aromatisch auf den Tisch. Und erst der Kaiserschmarren! Regional eigentlich eher der Wiener Küche zuzuordnen, hat sich der Kaiserschmarren längst einen Fixplatz auf den Karten der Tiroler Wirtshäuser erkämpft. Übrigens auch am selben Berg: Auf der Hornköpflhütte wird einer ser- viert, der seinesgleichen sucht: locker und flaumig, nicht zu süß, begleitet von herrlichem Röster aus Tiroler Zwetschken. Bei der klassischen Brettljause wer- den Speck und Käse aus der Produktion naher Sennereien serviert. Ebenso auf der Karte findet man die Tiroler Klassiker: Gröstl, Kaspress-Speck-Knödel und Pfannengerichte in allen Größen. Jedes einzelne Gericht in makelloser Qualität. Alles in allem ein Wirtshaus, das boden- ständigen Genuss, attraktives Weinangebot und außergewöhnliches Ambiente verbindet. Unbedingt empfehlenswert.

von Jürgen Schmücking

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