Zwischenstopp auf der Ehrenrunde

Nach getaner Arbeit setzen sich die besten Köchinnen und Köche des Landes zur Nachbesprechung an den Tisch von Florian Scheuba. Den Anfang macht Philip Rachinger in seinem Restaurant Ois im Neufeldner Mühltalhof.

FLORIAN SCHEUBA: Du hast gerade ein großes Menü gekocht. Jetzt gehst du von Tisch zu Tisch, um die Gäste zu fragen, ob es eh gepasst hat. Machst du das gerne?
PHILIP RACHINGER: Je öfter ich es mache und je älter ich werde, umso wichtiger ist es für mich. Ich bin auch schon gerne während des Menüs bei den Gästen. Mich motiviert das. Am nächsten Tag rede ich dann mit meiner Mannschaft darüber, was an Feedback gekommen ist. Wir reden genauso über die Gäste, wie die Gäste über uns reden.
Stößt du bei dieser Ehrenrunde auch manchmal auf Unverständnis?
Selten. Aber ich steh gerne meinen Mann und bin für jede Kritik zu haben.
Die Vorstellung, dass ich nach einem Bühnenauftritt zu jedem Zuschauer hingehe und ihn frage, ob es eh gepasst hat, wäre für mich ein bisschen gewöhnungsbedürftig.
Das verstehe ich, aber in der Gastronomie leben wir das direkter. Ich koche ja nicht für so viele Leute auf einmal, es ist auch intimer. Menschen vertrauen dir, weil sie gerade etwas von dir Geschaffenes in ihren Körper aufgenommen haben.
Ist nicht mittlerweile das Gespräch vor dem Menü das heiklere, wenn dir manche Leute erklären, was sie alles nicht zu essen bereit sind?
Das kann einen schon aufregen. Manche meinen, das sei wie bei einem Autokauf, wo man vorher tausend Wünsche für die Sonderausstattung abgeben kann. Ich probiere das so gut es geht zu ignorieren. Echte Unverträglichkeiten sind natürlich zu berücksichtigen, aber meistens geht es um Zutaten, die ohne- hin nur in homöopathischen Mengen im Menü vorkommen.
Kann man da mit den Gästen drüber reden?

Der Koch tut sich da leichter als der Kellner. Ich kann die Leute auch manchmal mitreißen. Aber ab einer gewissen Menge an Sonderwünschen stellen sich auch der Menügedanke und die entsprechende Kalkulation infrage.
Auf eurer Homepage formulierst du das herzerfrischend offen, nämlich: „Ist mir egal, ich mach das jetzt einfach so.“
Und zum Thema Speisekarte: „Spätestens wenn Sie da sind, wissen Sie, was es zu essen gibt.“
Heute wollte jemand für Dezember reservieren und wissen, was es da genau geben wird. Ich hab ihm geantwortet, dass ich nicht einmal genau weiß, was ich morgen koche.
Was machst du mit denen, die damit ein Problem haben?

Für die gibt es immer ein Steak mit Erdäpfeln, ein Schnitzel und ein Gulasch. Das entspannt auch das Küchenteam.
Apropos: Auf dem Menü stand heute Sommerbock, gekommen ist aber eine Taube.

Wir sind mitunter sehr schnell beim Improvisieren.
Also doch ein bissl wie unser- einer auf der Bühne. Und noch eine Parallele ist mir aufgefallen: Vor dem Dessert geht die Schiebe- wand zur Schauküche zu, so wie beim Theater der Schlussvorhang. Zur Zugabe bist dann du aufgetreten und hast die Theke sauber gemacht.

Ab dann bin ich bei den Gästen. Und das wirklich gerne. Kellner ist ja eigentlich der schönere Beruf als Koch.
Du könntest dir vorstellen, im Service zu arbeiten?
Ich serviere gerne und bin gern bei den Gästen. Nur beim Wein bin ich ein bissl ein Nackerpatzl, da trinke ich alles, was offen ist. Mein Opa war ein klassischer Oberkellner und ich hab zu ihm aufgeschaut.
Die Beschäftigung mit den Gästen ist dir also ein echtes Anliegen. Wie geht es dir da mit solchen, für die Essen in der Spitzengastronomie ein reines Statussymbol ist?
Da gibt es den blöden Spruch: „Das Geld hat kein Gesicht“. Wir freuen uns, wenn das Lokal voll ist, aber haben natürlich wesentlich mehr Freude mit Leuten, die das wirklich wertschätzen.
Noch nie bei einem Gast gedacht: Der passt eigentlich nicht zu mir?
Ja sicher, aber man darf nicht voreingenommen sein, manchmal wird man auch positiv überrascht.
Ihr seid auch kein klassisches Spesenritter- oder Oligarchen-Restaurant, sondern eher ein echtes Hipster-Lokal geworden.
Das sehe ich durchaus positiv. Die Hipster haben meistens Geschmack, wissen, was gut ist, trinken guten Wein und geben das Geld an der richtigen Stelle aus.
Das überrascht mich nicht, dass du das so siehst, denn du trittst ja gemeinsam mit den Köchen Lukas Mraz und Felix Schellhorn unter dem Namen „Healthy Boy Band“ selber als eine Art kulinarisches Hipster-Kollektiv auf.

Wir versuchen damit, den Wert von gutem Essen auch einer jüngeren Generation näherzubringen.
Sind die Jungen offener?
Hundert Prozent! Viele 30-Jährige haben die Schnauze voll vom Gin-Tonic- Saufen um drei Uhr früh und gehen lieber gut essen. Da lassen sie sich dann von einem Super-Sommelier ein paar gehypte Weine präsentieren, die sie statt der Wodka-Flasche austrinken. Ich bin ein großer Fan dieser Entwicklung.
Lutzmannsburger Lagen-Blaufränkisch statt Wodka- Red-Bull: Da kann man nur dafür sein. Apropos hip: Warum heißt dein Restaurant „Ois“?

Das ist irgendwie passiert. Bei der Namenssuche waren wir ursprünglich bei „Powidl“, weil hier herinnen alles schwarz ist und mir hin und wieder was powidl ist. Dann haben wir uns für „Ois“ entschieden, einfach weil wir hier versuchen, alles zu machen. Auf korrekt Mühlviertlerisch hieße es aber eigentlich „Oissi“.
Originell ist auch so manche Namensgebung bei deinen Gerichten. Der erste Gang heute hieß zum Bei- spiel: „Paradeisvielfalt von der kriminellsten Gemüsebäuerin Oberösterreichs“.
Die Paradeiser kommen von der fantastischen Gärtnerin Monika Stockenhuber, die neben hervorragendem Gemüse auch Kräuter angebaut hat, die sie in Konflikt mit dem Gesetz gebracht haben, weshalb sie jetzt mit einer Fußfessel unterwegs ist.
Öha.
Zum Glück erlaubt ihre Fußfessel einen Bewegungsradius von 50 Kilometer, das heißt, sie kann uns nach wie vor beliefern.
Da bin ich als Gast definitiv froh darüber. Ebenso wie über die Menükarte, die man am Schluss bekommt. Die ist gestaltet wie eine ganz billige Gebrauchtwagen- Werbung. Gratuliere, das ist wirklich sehr lustig! Danke! Für mich geht es ohne Humor gar nicht. Wenn du nicht über dich selber lachen kannst, macht es keinen Spaß.
Verstehen das auch alle Gäste?
Die Hälfte versteht es, die andere fragt: „Was ist das für ein Blödsinn?“ Aber das passt eh so.

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